Geschichte des Gebäudes

Synagoge mit Garten.
Synagoge mit Garten.

Das stattliche Gebäude im neoklassizistischen Stil war nicht die erste Synagoge der schwäbischen Landgemeinde. Sie löste die zu klein und baufällig gewordene Synagoge aus dem 18. Jahrhundert ab. Mit großem Stolz wurde im August 1837 die „schönste Synagoge des Rabbinatsbezirks“ eingeweiht. 101 Jahre lang diente sie der Gemeinde als Gotteshaus. Nach der Schändung im November 1938 wurde sie für verschiedene Nutzungen missbraucht und 1952 als evangelische Kirche eingeweiht.

Die alte Synagoge

Ihre erste Synagoge errichtete die jüdische Gemeinde Rexingen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der genaue Zeitpunkt der Erbauung ist nicht bekannt. Die Synagoge befand sich in unmittelbarer Nähe zu den von den ersten »Schutzjuden« bewohnten Gebäuden der Johanniterkommende.

In einem Bericht vom 4. Okt. 1835 wird sie so beschrieben: »Die Synagoge besteht aus zwei Gebäuden, der Synagoge selbst, welche von Stein erbaut ist, und einem kleinen Nebengebäude, in welchem die Logen der Frauen angebracht sind, letzteres ist von Holz erbaut. Die Synagoge ist nicht sehr alt, aber sehr fehlerhaft gebaut.«

Das Gebäude war wie viele andere Synagogen der Landjuden aus dem 18. Jahrhundert äußerlich unauffällig und unterschied sich kaum von benachbarten Wohnhäusern.

Es blieb auch nach dem Bau der neuen Synagoge erhalten und wurde für verschiedene Gemeindeeinrichtungen genutzt. Unter anderem war dort die Mikwe, das Ritualbad, untergebracht. Das Haus fiel 1977 der Verbreiterung der Freudenstädter Straße zum Opfer und wurde abgebrochen.

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Die alte Synagoge. Sie stand schräg gegenüber der neuen Synagoge.

Planung und Bau der neuen Synagoge

Für die rasch wachsende jüdische Gemeinde wurde die alte Synagoge bald zu klein. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts noch unter der Herrschaft des Johanniterordens wurde der Bau einer neuen Synagoge diskutiert.

Anfang des 19. Jahrhunderts war die beengte alte Synagoge auch baufällig geworden. Das Oberamt Horb schrieb 1830 an das Innenministerium: »... Die Synagoge ist seit einigen Wochen geschlossen und kann ohne Gefahr nicht mehr besucht werden.«

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Portalstein der alten Synagoge von 1752 mit der Inschrift: Dies ist das Tor zum Ewigen, die Gerechten ziehen durch es hinein.

Der Bauplatz für eine neue Synagoge war schon seit etwa 1820 vorhanden. Doch bedeutete die Finanzierung eines solchen Neubaus für die jüdische Gemeinde eine gewaltige Anstrengung.

Anfang 1836 wurde der Bau durch die Israelitische Oberkirchenbehörde des Königreichs Württemberg genehmigt. Am 29. Juli 1836 konnte der Grundstein gelegt werden.

Der erste Kostenvoranschlag für den Bau betrug 8.590 Gulden. Die Gemeinde konnte dann ein Angebot für 7.590 Gulden aushandeln. Während des Baus erwies sich diese Finanzplanung als völlig unrealistisch. Die Kosten kletterten immer höher und betrugen schließlich 12.300 Gulden.

Das bedeutete, dass die Gemeinde einen Kredit über 5.800 Gulden von verschiedenen Gläubigern aufnehmen musste. Für 3.000 Gulden Kredit übernahmen alle Gemeindemitglieder am 17. Juni 1836 eine allgemeine Schuldanerkenntnis als Sicherheit.

Auch der König von Württemberg gab einen Zuschuss von 300 Gulden.

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Gemeindemitglieder bürgen für einen Kredit.

Am 18. August 1837 konnte die neue Synagoge eingeweiht werden. Die Predigt sprach an diesem Tag der junge Rabbiner Dr. Moses Wassermann, der seit Januar 1835 das Rabbinat des Schwarzwaldkreises von Mühringen aus betreute.

Die schönste Synagoge des Rabbinatsbezirkes

1875 beschrieb Rabbiner Dr. Michael Silberstein den ganzen Rabbinatsbezirk Mühringen. Für die Rexinger Synagoge fand er folgende lobende Worte:

»Die Synagoge in Rexingen, unstreitig die schönste des Rabbinatsbezirkes, ist auf terrassenförmig erhöhtem Platz errichtet, zu dem steinerne Stufen in zwei Abteilungen hinaufführen. Vor der Synagoge befindet sich ein schöner Säulengang, zu dem gleichfalls einige steinerne Stufen hinaufführen. Für die Frauen sind drei Seiten Gallerien angebracht.

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Die neue Synagoge auf einer Postkarte, um 1910.
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Innenaufnahme der Synagoge vor 1933. An der Ostseite sind mehrere Stiftertafeln zu sehen.

Vor der heiligen Lade, die sich an der Ostseite, dem Eingang gegenüber, befindet, steht die Kanzel, zu (der), wie auch zur Heiligen Lade einige Stufen führen, unterhalb der Kanzel sieht man einen marmorierten Stein, der dem Vorsänger auch als Betpult dient...

Für die männlichen Synagogenbenutzer befinden sich rechts und links Subsellien, die durch weite, wohl allzuweite Zwischenräume voneinander getrennt sind.

Trotz dieser weiten Zwischenräume fasst die Synagoge doch bequem 500-600 Personen.

An den Wänden, insbesondere unter der östlichen Wand, erblickt man einige Tafeln, auf denen die Namen derer, die durch Stiftungen sich verewigt haben, verzeichnet sind. Im Jahre 1862 wurde das Plafond der Synagoge recht geschmackvoll gemalt, sowie das Holzwerk frisch angestrichen.«

Im Namen Gottes nach Erez Israel

Am 6. Februar 1938 wurde in der Synagoge in einem Festgottesdienst die erste Auswanderergruppe der Rexinger Juden ins englische Mandatsgebiet Palästina verabschiedet. Viele prominente Helfer der Auswanderung waren anwesend, unter ihnen Dr. Otto Hirsch von der Reichsvertretung der Juden in Berlin.

Der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Viktor Neckarsulmer, betonte in einer Ansprache, dass die neue Siedlung in Palästina – damals noch Malchutia genannt – und Rexingen auf immer miteinander verbunden bleiben würden. Er dankte allen, die sich für diese Gruppenauswanderung eingesetzt hatten, vor allem dem Heilbronner Anwalt Dr. Manfred Scheuer, dem späteren Bürgermeister von Shavei Zion.

Der Bezirksrabbiner i.R. Dr. Abraham Schweizer aus Horb schloss seine Ansprache: »Mögen die Engel Gottes Euch auf Euren Wegen begleiten und vergesset nicht die Heimat, in der ihr Eltern und Verwandte zurücklasst, erfreut sie mit regelmäßigen Berichten und vergesst auch nicht diese heilige Stätte, wo wir so oft gemeinsam gebetet!«

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Viktor und Hedwig Neckarsulmer mit ihrem Sohn Fritz (Uri) in Shavei Zion.

Die Schändung der Synagoge im November 1938

Aus einem Bericht von Viktor Neckarsulmer, der 1939 nach Shavei Zion auswanderte:

»In der Nacht vom 9. zum 10. November wurde ich aus dem Schlafe geweckt, mit dem Rufe "Die Synagoge brennt!" So schnell wie möglich eilte ich zur Synagoge hin, und was ich sah, war schrecklich.

Die Synagoge brannte an verschiedenen Stellen. SA-Leute rissen Lampen, Gedenktafeln für Verstorbene von Wänden und Decken. Mit Beilen und Äxten wurde auf Vorbeterpult, auf Bänke und Torarollen eingeschlagen... In der gleichen Nacht wurden auch in allen Häusern, die noch im jüdischen Besitz waren, die Fensterscheiben eingeworfen...

Die Synagoge stand noch, aber das Gotteshaus war vollkommen ausgebrannt. Was übrig war, wurde in einer Ecke im Synagogenhof aufgehäuft und erneut angezündet. Zum Beispiel die Torarollen, Gebetbücher, Talessim usw...

Auf dem Wege nach meinem Hause wurde ich verhaftet und in das Gefängnis in Rexingen eingeliefert. Mit mir kamen noch andere...

Nach 24 Stunden wurden wir ins Gefängnis nach Horb transportiert, zwei Tage später kamen wir im Sammeltransport, mit Juden der Umgebung, nach Dachau.

Ungefähr zwei Wochen nach unserer Entlassung aus Dachau bat mich der diensttuende Landjäger, ihn abends in seiner Wohnung aufzusuchen. Er sagte mir folgendes: Ich habe aus dem Aschenhaufen eine Torarolle herausgenommen, die ziemlich gut erhalten ist. Ich weiß, dass Sie demnächst als zweite Gruppe nach Shavei Zion auswandern. Wenn Sie diese Torarolle mitnehmen wollen, steht sie jederzeit zu Ihrer Verfügung.«

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Die gerettete Torarolle – heute im Gedenkraum in Shavei Zion.

Die Synagoge als Lagerraum

Nach ihrer Schändung konnte die Synagoge nicht mehr als Gotteshaus benutzt werden. Die jüdische Gemeinde versammelte sich in der alten Synagoge und in anderen Gebäuden. Jakob Fröhlich, der Enkel von Max und Auguste Fröhlich aus der Freudenstädter Straße, berichtete, dass seine Bar Mizwa 1939 im jüdischen Gasthaus Ratsstube gefeiert wurde, bevor er als Kind zur Familie seines Onkels Julius Fröhlich nach Shavei Zion fliehen konnte.

1939 wurde die Synagoge von den Nationalsozialisten aus der Liste der denkmalgeschützten Gebäude gestrichen, in die sie erst 1927 aufgenommen worden war.

Im selben Jahr verkaufte die jüdische Gemeinde in einer für die Juden immer bedrohlicher werdenden Lage die Synagoge zum Preis von 7.000 RM an die bürgerliche Gemeinde.

Die NSDAP schlug vor, die Synagoge zu einem Gemeindehaus oder einer Turnhalle umzubauen.

1943 vermietete die bürgerliche Gemeinde die Synagoge als Lagerraum an die Oberndorfer Waffenfabrik Mauser.

Auch die Mühringer Synagoge, die nach der Deportation der letzten Juden vom Finanzamt Horb 1943 beschlagnahmt wurde, wurde im selben Jahr an die Firma Mauser zur Lagerung von Gewehrschäften vermietet.

Die geschändete Synagoge wird evangelische Kirche

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Handskizzen von Architekt Paul Heim für den Umbau der Synagoge von 1950.

Nach dem Krieg wuchs die Zahl der evangelischen Einwohner von Rexingen stark an. Die über 350 Seelen starke Gemeinde benötigte ein Gotteshaus.

Nach langem Ringen mit der bürgerlichen Gemeinde Rexingen, die eine andere Nutzung favorisierte (Bürgersaal, Turnhalle), wurde die Synagoge schließlich 1952 angemietet und umgebaut.
Wichtig war dabei die Fürsprache der Israelitischen Kultusvereinigung Württembergs für die neue Nutzung.

Am Gebäude wurden drei bedeutende Veränderungen vorgenommen: Auf Höhe der Frauenempore wurde eine Zwischendecke eingezogen. Der obere Raum dient nun als Gottesdienstraum, die neu entstandenen Räume im unteren Geschoss als Gemeinderäume.

Auf dem Dach wurde ein kleiner Glockenturm angebracht und das Fenster an der Ostseite in Form einer Halbrosette wurde durch ein schmales, hohes Gittersprossenfenster ersetzt.

1972 wurde die ehemalige Synagoge wieder unter Denkmalschutz gestellt.

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Handskizze von Architekt Paul Heim.