Geschichte der Gemeinde

Die erste Nennung.
Die erste Nennung.

Wann die jüdische Gemeinde in Rexingen gegründet wurde, ist nicht bekannt. Die erste urkundliche Erwähnung eines Juden in Rexingen hat man bisher in der Judenordnung der Grafschaft Hohenberg von 1516 gefunden. Die erste Synagoge wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut. Im 19. Jahrhundert wuchs die Gemeinde stark an und hatte um 1850 ihren höchsten Anteil (36%) an der Gesamtbevölkerung von 1132 Einwohnern. Rexingen war zu dieser Zeit ein rein katholisch-jüdisches Dorf.

Rexingen

Die ehemals selbständige Gemeinde Rexingen ist heute eine Teilgemeinde der Großen Kreisstadt Horb am Neckar. Rexingen hat ca. 1300 Einwohner.

Die Ortschaft gliedert sich in ein Unter- und ein Oberdorf. Die jüdischen Familien wohnten hauptsächlich im Unterdorf, wo sich auch die Synagoge und die katholische Kirche befinden. Die christlichen Familien, die vor allem Bauern waren, wohnten meist im Oberdorf, in der Nähe zu den Feldern auf der Hochebene, die sich bis Freudenstadt erstreckt.

Die früheste urkundliche Erwähnung von Rexingen fällt in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, in der der Ort als Raggesingen bezeichnet wird. Zur gleichen Zeit treten Edelfreie von Rexingen als Wohltäter für das Kloster Reichenbach auf.

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Rexingen mit Johanniterschloss. Ausschnitt aus einer Zeichnung um 1810.

Der seit 1270 in Rexingen genannte Johanniterorden wird Rechtsnachfolger und Besitzer des Herrengutes Rexingen. Im Jahr 1290 erwirbt die Johanniterkommende den Flecken von der Horber Familie Boecklin. Bis ins Jahr 1806, als die Ortschaft Württemberg zugeschlagen wird, bestimmte der Johanniterorden das Leben der Gemeinde. Oberhaupt des kleinen geistlichen Fürstentums war ein Komtur.

Der Johanniterorden war aus einer Jerusalemer Hospitalbruderschaft hervorgegangen. Nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 1099 schlossen sich dieser Gemeinschaft zahlreiche Kreuzritter an.

In Württemberg war durch die Regimentsordnung von Graf Eberhard im Barte die Niederlassung von Juden bis 1806 verboten. Im Gegensatz dazu erlaubten die Johanniter im Laufe ihrer Herrschaft Juden gegen Zahlung von »Schutzgeldern« die Niederlassung in Rexingen.

Die jüdische Gemeinde Rexingen

Die ersten Juden lassen sich in Rexingen für das Jahr 1516 nachweisen. In der Judenordnung der Grafschaft Hohenberg wird der Jude Lazarus aus Rexingen erwähnt.

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Ausschnitt einer Kopie der „Stierlinschen Pürschkarte“, Original um ca. 1600. Staatsarchiv Sigmaringen.

Um 1650: Nach Kosakenpogromen in Polen und Russland fliehen viele jüdische Familien in den Westen. Einige Namen Rexinger Juden deuten auf ihre Herkunft: Pollak, Pressburger, Lemberger, Zürndorfer.

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Grenzstein von 1606 im Rexinger Gemeindewald mit dem achtspitzigen Johanniterkreuz.

Anfang des 18. Jahrhunderts wird die erste Synagoge gebaut. Die Gemeinde gehört zum Rabbinat Mühringen. Dort werden auch ab 1720 die Toten begraben, nachdem ein in Rexingen zuvor angelegter Friedhof wegen Überschwemmungen aufgegeben werden musste. Wo sich dieser erste jüdische Friedhof befand, ist nicht mehr bekannt.

Im Jahr 1760 erhält die Gemeinde einen Begräbnisplatz an der Stelle, an der auch heute noch der jüdische Friedhof zu finden ist, am Waldrand im Gewand »Buchert«.

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Der jüdische Friedhof in Rexingen zählt über 900 Grabsteine aus der Zeit von 1765 bis 1962.

Blüte der Gemeinde

Bis zum Jahre 1800 wächst die jüdische Gemeinde auf 49 Familien an und stellt mit ca. 240 Personen beinahe ein Drittel der Rexinger Einwohnerschaft. 1824 wird die Schule der jüdischen Gemeinde als Volksschule vom Staat anerkannt. Erster Lehrer ist Isaak Bickardt. Nach einem langen Streit mit der bürgerlichen Gemeinde über die Räume der Schule und die Bezahlung des Lehrers kann die jüdische Schule 1844 als »Konfessionsschule« ins Schulhaus einziehen. Bis 1938 existieren in Rexingen eine jüdische und eine katholische Volksschule unter einem Dach.

1828: Durch das sogenannte Erziehungs- oder Emanzipationsgesetz werden die Juden württembergische Bürger. Das Rabbinat Mühringen, zu dem auch Rexingen gehört, ist zu dieser Zeit zahlenmäßig (1576 Seelen) und flächenmäßig das größte Rabbinat in Württemberg.
1837 wird die neue, große Synagoge eingeweiht.
Um 1850 erreicht die jüdische Gemeinde mit 427 Mitgliedern den höchsten Anteil ihrer Geschichte – das sind über 36 % von insgesamt 1.132 Bewohnern.

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Briefkopf der Firma Pressburger, Pferdehandlung.

Um 1900: Die jüdischen Bürger von Rexingen setzten sich an vorderster Stelle für die Modernisierung des Ortes ein: Wasserleitung, Stromversorgung, Einrichtung einer Postagentur, erste Telefonanschlüsse und schließlich die Einrichtung eines Omnisbusverkehrs (Kraftwagenverkehrs) 5mal täglich von Rexingen über Ihlingen zum Bahnhof Horb. Am Morgen wird auch die Strecke Rexingen – Bahnhof Altheim befahren. Jüdische Bürger sind jetzt Mitglieder im Gemeinderat. Sie sind in den Vereinen aktiv und tragen die örtliche Feuerwehr mit. Der jüdische Gemeinderat Adolf Zürndorfer wird 1904 zum Ehrenbürger von Rexingen.

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Jüdische Männer dienten in der Feuerwehr. Bild um ca. 1928.

1914–1918: Im Ersten Weltkrieg werden von der jüdischen Gemeinde 105 Männer zum Militärdienst eingezogen. 78 Männer dienen an der Front. 15 jüdische Rexinger Soldaten fallen im Ersten Weltkrieg.

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Tafel mit jüdischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen.

In den Jahren 1919 bis 1932 verschlechtert sich die Wirtschaftslage auch in Rexingen. Das Gewerbesteueraufkommen geht von 85.941 Mark im Jahre 1927 auf 46.681 Mark im Jahre 1931 zurück. Einige jüdische Rexinger Familien wandern nach Amerika und auch schon nach Palästina aus.

Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde

Vor 1933 galt Rexingen für die NSDAP als »uneinnehmbare Festung«. Bei der Märzwahl 1933 wählten nur 16 Prozent die Nazipartei. Danach bekommen die jüdischen Bürger die feindliche Politik der Nazis massiv zu spüren. Der letzte demokratisch gewählte Bürgermeister Hermann Kinkele wird abgesetzt. An seine Stelle kommt der junge Nazi Georg Schwörer. Aus der Vorstandsschaft des Gesangvereins werden Alfred Levi und Alfred Pressburger ausgeschlossen. Über Rexingen wird auf einem Steinsockel ein riesiges Hakenkreuz errichtet.
Das Kultusministerium teilt mit, dass sich der Staat nicht mehr an der Finanzierung der jüdischen Schule in Rexingen beteiligt. Sie wird als Privatschule mit 16 Schülern weitergeführt.

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Postkarte mit dem 1933 errichteten Hakenkreuz.

Die Zahl der jüdischen Einwohner beträgt im Jahre 1933 noch 262. Die Auswanderungen in die USA und in andere Länder nehmen zu.

Eine größere Gruppe plant eine gemeinsame Emigration nach Palästina.
Am 6. Februar 1938 wird in der Rexinger Synagoge in einem Festgottesdienst die erste Gruppe nach Palästina verabschiedet.
Am 13. April 1938 kann zwischen Akko und Nahariya die Siedlung Shavei Zion (Rückkehr nach Zion) von Rexinger und anderen Juden aus Deutschland gegründet werden.

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Auf dem Schiff nach Erez Israel.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird die Rexinger Synagoge von SA und SS angezündet und im Innern zerstört. Die örtliche Feuerwehr löscht den Brand. Das Gebäude bleibt stehen. Eine beschädigte Thorarolle wird von Viktor Neckarsulmer, dem Vorsteher der jüdischen Gemeinde, nach Palästina gebracht.

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Die im Innern zerstörte Synagoge.

Ende 1938/Anfang 1939 werden die letzten jüdischen Geschäftsbetriebe zwangsweise geschlossen.
Im Sommer 1941 wird die Auswanderung von Juden aus Nazideutschland generell verboten.

Am 28. November 1941 werden mehr als 60 Rexinger Juden über den Stuttgarter Killesberg nach Riga in Lettland deportiert. Es überleben nur Berta Schwarz und Sally Lemberger.

Deportationsliste
Ausschnitt aus der Liste der nach Riga deportierten Menschen.

Am 21. April 1942 werden 7 Juden aus Rexingen nach Izbica bei Lublin in Polen deportiert. Niemand überlebt.

Am 19. August 1942 werden über 50 meist ältere Juden nach Theresienstadt deportiert. Es überleben nur Hedwig Schwarz und Isidor David. Hedwig Schwarz verunglückt während des Transports nach Theresienstadt und wird in ein Hospital gebracht. Dort bleibt sie unentdeckt. Sie kehrt nach Deutschland zurück und stirbt 1952 im Stuttgarter Marienhospital. Sie ist auf dem jüdischen Friedhof in Rexingen begraben. Isidor David wird am 5. Febr. 1945 mit einem Rotkreuz-Transport in die Schweiz gebracht. Er stirbt dort am 31. Dezember 1945 im Flüchtlingslager.

Mit dem 19. August 1942 endet die Geschichte der jüdischen Gemeinde Rexingen.